Pro & Kontra Flexible Arbeitszeiten

Flexible Arbeitszeiten haben viele Vorteile, findet Simon Bohner. Deshalb nimmt er auch die Kehrseite der Medaille in Kauf. Charlotte Bartels dagegen meint, Freiheit durch mehr Flexibilität ist ein Trugschluss: Familie und Freunde kommen dabei zu kurz.

PRO Flexible Arbeitszeiten

Freiräume haben, unabhängig sein von festen Regeln, frei entscheiden können, wann, wie und wo ich etwas tue: Wer will dagegen etwas sagen? Das ist doch eine schöne Sache. Unsere Gesellschaft schreibt die Freiheit und die damit verbundene Möglichkeit zur eigenen Lebensgestaltung groß; gegen Gängelung setzt man sich heftig zur Wehr. Auch in der Arbeitswelt. Was spricht dagegen, wenn die Arbeitszeiten wechseln, auch am Wochenende oder nachts zu arbeiten, Früh- und Spätschichten zu schieben? Nicht einmal vor dem ach so heiligen Sonntag macht die Wirtschaft mehr Halt. Und das ist richtig so. Für mich als Mitarbeiter einer Wach- und Schließgesellschaft wäre es undenkbar, keine Nacht- oder Frühschichten zu übernehmen. Und ich genieße dabei die freie Zeit zu Zeiten, in denen „normalerweise“ gearbeitet wird. Wir leben nun mal in einer Dienstleistungsgesellschaft. Wenn ich abends ins Kino gehe oder ins Theater, dann freue ich mich über die kleinen Snacks und Getränke in der Pause. Man stelle sich nur mal vor, welche Türen verschlossen blieben, wenn alle Dienstleistungsbetriebe um 17 Uhr schließen würden: Hallenbad, Kneipe, Tankstelle, Krankenhaus und viele mehr. Sie funktionieren nur, wenn alle bereit sind, diese Dienste zu erbringen. Dafür müssen wir uns ein- für allemal vom Feierabend um 17 Uhr verabschieden. Und das heißt: Auch ich als Vater muss flexibel sein, Schicht- und Wochenendarbeit als Normalität akzeptieren. Natürlich kommt es dann darauf an, dass ich die Betreuung unserer Kinder ebenso flexibel organisiere. Erziehungsverantwortung heißt heute auch: mich nach Personen und Einrichtungen umzusehen, denen wir unsere Kinder guten Gewissens anvertrauen können, damit sie nicht unbetreut sind oder verwahrlosen. Das geht weit über die Forderung hinaus, dass der Staat genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stellt!

Simon Bohner

KONTRA Flexible Arbeitszeiten

Wer ist nicht früher auf Mutters Bett rumgehüpft? Das war wie ein Trampolin. Hochspringen, sich dann so richtig fallen lassen; irgendwann haben wir dann auch einen Salto gewagt. Und irgendwann machte es „knacks“ – der Lattenrost war durchgebrochen. Der Lattenrost ist wie der optimale Arbeitnehmer von heute: flexibel. Und wie der Lattenrost wird auch der Arbeitnehmer früher oder später an den Flexibilitäts­anforderungen zerbrechen. Noch mehr Flexibilität halten wir nicht aus. Wir sollen mobil sein, nicht an einen Ort gebunden. Schon zu Schulzeiten machen wir die erste Bildungsreise ins Ausland. Wer kein Auslandssemester während des Studiums vorweisen kann, muss sich den Chefposten schon vor Eintritt ins Berufsleben abschminken. Und die Job- und Lehrstellensuche dürfen wir natürlich auch nicht auf unsere geliebte Heimatstadt beschränken. Wie viele Möglichkeiten, uns zu entfalten, würden wir schließlich verpassen ohne diese Flexibilität? Also ziehen wir von Ort zu Ort, finden immer wieder neue Freunde. Und suchen ständig nach neuen, bisher unbekannten Ichs. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Bess’res findet“: Das gilt für den Beruf wie für die Partnerschaft. Flexible Arbeitszeiten – was für ein Zauberwort! Doch die erhoffte Freiheit erweist sich als Trugschluss. Für Angestellte ist Flexibilität das Diktat des Arbeitgebers. Flexibel bleiben heißt hier: immer andere Arbeitszeiten nach Laune des Arbeitgebers. Familie und Freundschaft werden noch weniger planbar. Familienferien? Nur noch Last-Minute. Wir wissen ja nicht einmal, wann wir nächste Woche arbeiten. Und wenn wir dann tatsächlich frei haben, schreiben wir eine Rundmail: Wer hat am Mittwoch ab 11 Uhr Zeit? Und hoffen, dass jemand antwortet …

Charlotte Bartels